Premiere bei Szene 93: Im Zweifel für den Angeklagten?
Erftstadt Anzeiger vom 27.11.2019. Von Claudia Scheel.
Schuldig oder nicht schuldig? Eine Gruppe von zwölf Geschworenen muss über das Schicksal eines 19-Jährigen entscheiden, der seinen Vater im Streit mit einem Messer ermordet haben soll. Mit dem packenden Gerichtsklassiker „Die zwölf Geschworenen“ des US-amerikanischen Drehbuch- und Bühnenautors Reginald Rose aus dem Jahre 1957 feierte das Theaterensemble von Szene93 unter der Regie von Annette Dewitz in der Kleinen Bühne Premiere.
Erftstadt-Liblar (cs). Nach einer sechstätigen Gerichtsverhandlung ziehen sich zwölf Geschworene zur Urteilsfindung zurück. Sprechen sie den mutmaßlichen Mörder schuldig, erwartet ihn die Todesstrafe. Elf Laienrichter wollen nur nach Hause und nehmen ein vorschnelles, unreflektiertes Urteil in Kauf: schuldig. Allein der Geschworene Nr. 8 äußert Zweifel an der Schuld des Angeklagten. Da das Urteil einstimmig ausfallen muss, entbrennt eine erbitterte, spannungsgeladene Diskussion, bei der unterschiedliche Charaktere aufeinandertreffen, psychische Belastungen und Vorurteile zu Tage treten. Nach und nach scheinen die vermeintlich wasserdichten Beweise den Geschworenen keineswegs mehr eindeutig. Nur ein Geschworener zeigt sich unerbittlich …
„Das Stück ist großartig aufgebaut und immer aktuell“, meinte Annette Dewitz, „es geht um Vorurteile, Gruppendynamik, um den freien Willen, die Bewältigung zwischenmenschlicher Konflikte und das Scheitern von gemeinsamen Lösungen.“ Vor vielen Jahren hatte die amerikanische Version mit Henry Fonda als Nr. 8 die Regisseurin sehr beeindruckt. Der Wunsch, das Psychodrama selbst einmal zu inszenieren, entstand vor zehn Jahren bei dem Besuch einer Aufführung, die eine Studentengruppe auf die Bühne brachte.
Bühnen- und Kostümbild im Stil der 1950er Jahre bilden einen harmonischen, dennoch neutralen Rahmen für das Bühnengeschehen: Nichts ist grell, kein Geschworener fällt durch sehr bunte Kleidung auf; Wände, Tische und Stühle bleiben unauffällig – Dewitz´ Inszenierung konzentriert sich ganz auf die zwölf Akteure und ihre Interaktion. Zwei Stunden lang tragen die Geschworenen auf engstem Raum Konflikte aus, entwickeln kammerspielgerecht gegensätzliche Charaktere. Dass der Bühnenboden der Liblarer Spielstätte optisch in den Zuschauerbereich übergeht, trägt nicht zuletzt dazu bei, das Publikum ins Geschworenenzimmer zu versetzen.
Die amerikanische Filmversion werde sie sich, so Dewitz, erst nach Ende der Spielzeit im Frühjahr nächsten Jahres ansehen: „Für meine Inszenierung wollte ich ganz bewusst Beeinflussungen durch die Vorlagen vermeiden, sondern das Stück aus meinem Gefühl heraus machen.“ Und das ist der Regisseurin mit Unterstützung von Iris Lenzen (Regieassistenz) und dem mehrheitlich sehr spielerfahrenen, immer aber ausdrucksstarken Ensemble Gudrun Romes, Nicole Stöbe, Jürgen Henne, Ingo Brückner, Ansgar Spies, Anne Glasow, Sascha Mohme, Lydia Rondorf, Hans-Paul Marten, Volker Schumann, Stephan Nichtweiß und Stephanie March auf beeindruckende Weise gelungen: Stück und Akteure sorgen für einen spannenden Theaterabend, der noch lange nachklingt.
Für die zehn Vorstellungen des sehenswerten Dramas „Die zwölf Geschworenen“ in der Kleinen Bühne, Poststraße 4, gibt es nur noch Restkarten. Informationen und Reservierung auf www.szene93.de und ( (0 22 35) 92 28 34.