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Presse: Lesung Yuriy Gurzhy

Lesung in Erftstadt

Yuriy Gurzhy hat das Wesen des Klezmersounds ergründet

Von Hanna Styrie – Kölner Stadt-Anzeiger vom 23.5.22

Erftstadt – An Popularität ist ihm Wladimir Kaminer, mit dem er 1999 die legendäre „Russendisko“ in Berlin begründete, weit überlegen. Yuriy Gurzhy, den der Förderverein der Stadtbücherei Erftstadt zu einer Lesung eingeladen hatte, ist zurückhaltender, aber nicht weniger umtriebig als sein temperamentvoller Kumpel, der als Bestseller-Autor Furore gemacht hat.

Gurzhys Buch „Richard Wagner und die Klezmerband. Auf der Suche nach dem neuen jüdischen Sound in Deutschland“, eine Art Enzyklopädie der aktuellen jüdischen Musik, war der eigentliche Anlass seines Besuchs. Weil der Disc-Jockey und Musiker aber aus Charkiw stammt, stand sein Auftritt auch im Zeichen des Krieges gegen sein Heimatland.

1995 ist Yuriy Gurzhy mit seiner Familie nach Potsdam gekommen. Die täglichen Besuche in einem Plattenladen erleichterten dem 20-Jährigen die schwierige Eingewöhnungszeit. „Punk und Grunge hatten 1995 in Charkiw noch nicht stattgefunden“, erzählte Gurzhy schmunzelnd.

Das Wesen des Klezmersounds ergründet

Durch Zufall stieß er auf eine Schublade mit jüdischer Musik – und war sofort entflammt für den speziellen Klezmersound, dessen Wesen er nun viele Jahre später in seinem Buch (und der in Kürze erscheinenden CD) zu ergründen versucht. Richard Wagner kommt im Titel vor, weil er „der prominenteste Antisemit Deutschland“ ist und sein Aufsatz „Das Judenthum in der Musik“ die jüdische Musik verunglimpft.

55 Menschen, Musiker, Veranstalter, Musikverleger und Journalisten, hat Gurzhy, der selbst jüdischer Herkunft ist, befragt und unterschiedliche Antworten bekommen. Kostproben der Interviews spielte er ein, und damit das Ganze nicht zu dröge und theoretisch wurde, gab er eigene Songs wie „Mein Städtele Berlin“ zum Besten, zu denen er sich auf der Gitarre begleitete.

Während des Studiums in Berlin schloss sich Yuriy Gurzhy als Bassist einer Band mit russischen Musikern an. Bei einem der Auftritte lernte er dann Wladimir Kaminer kennen. Als ein Konzert ausfiel, sprangen die Freunde als Discjockeys ein und hatten mit der osteuropäischen Musik, die sie auflegten, ungeahnten Erfolg. „Plötzlich wollte jeder dazu tanzen“, wundert sich Gurzhy noch heute.

Derzeit wird sein Leben von den Ereignissen in der Ukraine beherrscht. Für den „Tagesspiegel“ schreibt er ein Tagebuch. Darin gibt er seine eigenen Gefühle angesichts der schrecklichen Nachrichtenbilder preis und berichtet von Freunden, die in Charkiw und Mariupol hautnah den Krieg miterleben.


Die Lesung wurde in der Kleinen Bühne von Szene 93 dargeboten.

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