Presse: Der Tod und das Mädchen

Szene 93 zeigt zum Jubiläum den Polit-Thriller „Der Tod und das Mädchen“

Ein fesselndes Kammerspiel

VON HANNA STYRIE – Kölner Stadt-Anzeiger vom 5.9.2023

Erftstadt – Mit der aktuellen Produktion hat sich Szene 93 anlässlich des 30-jährigen Bestehens an schwere Kost gewagt. Das mit vielen Preisen ausgezeichnete Stück „Der Tod und das Mädchen“ des argentinischen Autors Ariel Dorfman spielt in einem Land, das nach einer langen Zeit der Militärdiktatur wieder demokratisch regiert wird.

Paulina gehört zu den Opfern, die verschleppt, gefoltert und vergewaltigt wurden und die nun an der Seite ihres Ehemannes, des Juristen Gerardo, versucht, ein normales bürgerliches Leben zu führen. Dass sie die schrecklichen Erlebnisse nicht verarbeitet hat, wird deutlich, als Gerardo einen Mann mit ins Haus bringt, der ihm bei einer Reifenpanne geholfen hat. In dem Mediziner Roberto Miranda glaubt sie anhand seiner Stimme und seines Geruchs einen ihrer Peiniger wiederzuerkennen, obwohl ihr während der Folterungen die Augen verbunden waren.

Die alten Wunden reißen auf, und Paulinas Wunsch nach Rache wird so übermächtig, dass sie alle gesellschaftlichen Normen vergisst. Sie fesselt und knebelt ihren Gast und inszeniert eine Gerichtsverhandlung. Gerardo, der gerade in eine Kommission zur Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen berufen wurde, gerät dabei zwischen die Fronten und ist verzweifelt um Vermittlung bemüht.

Das Kammerspiel mit seiner dichten Atmosphäre fesselt von der ersten bis zur letzten Minute. Das Regie-Duo Cornelia und Ingo Rehling lässt nah am Publikum spielen, das nicht umhin kann, selbst Stellung zu beziehen. Ergreift man Partei für die geschändete, von Hass erfüllte Paulina, die sich der Methoden der Folterer bedient, oder schlägt man sich auf die Seite ihres Mannes, der zu beschwichtigen versucht? Und kann man Roberto Miranda glauben, der alles abstreitet?

Im kleinen Theatersaal herrschte während der Aufführung atemlose Stille, denn die drei bühnenerfahrenen Darsteller halten die Spannung über die gesamte Dauer hoch. Ann-Kristin Franken lässt in der Rolle der Paulina die Emotionen hochkochen und gibt den unbarmherzigen Racheengel, der keinen Argumenten mehr zugänglich ist. Michael Poschmann brilliert als Jurist und Ehemann, der unter Paulinas Druck dem Gefangenen ein Geständnis abringt. Ingo Rehling spielt den selbstsicheren und kultivierten Mediziner so schillernd und undurchsichtig, dass man nie weiß, wie weit man ihm trauen kann.

Weitere Aufführungen in der Kleinen Bühne Liblar, Poststraße 4, am 8. und 9. September, jeweils 20 Uhr, sowie am 10. und 17. September, jeweils 18 Uhr. Kartenreservierung unter 02235/922834.

www.szene93.de

 

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