Presse: Fenster zu den Höfen

Autorengruppe „Kraniche“ stellt neuen Sammelband vor

Texte öffnen Fenster

VON OLIVER TRIPP – Kölner Stadt-Anzeiger vom 1.12.25

Erftstadt-Lechenich – Es war ein Abend voller Cliffhanger, jenem dramaturgischen Mittel in Film und Literatur, das Appetit auf eine Fortsetzung machen soll. Just vor dem Höhepunkt oder wenn die Auflösung so mancher ihrer Kurzgeschichten nahte, beendeten die 17 Autoren bei der Vorstellung ihres Buches „Die Fenster zu den Höfen“ im Pfarrzentrum in Lechenich ihre Vorlesungen. „Sie können es ja nachlesen, da liegt es“, hieß es.

Um den Abend nicht ausufern zu lassen, durften die Autorinnen und Autoren jeweils nur eine Seite ihres Manuskriptes vorlesen, erläuterte die Moderatorin Fabienne Siegmund. Sie selbst gehört zu den Kranichen: der Gruppe, die vor 17 Jahren einen VHS-Schreibkursus besucht hatte und aus Spaß am Aufschreiben von Geschichten bis heute mit inzwischen vier Veröffentlichungen dabei geblieben ist.

Zum fünften Buch hatten die Kraniche alle Erftstädter Autoren eingeladen, sich am Gemeinschaftsprojekt „Die Fenster zu den Höfen“ zu beteiligen. Angelehnt an Hitchcocks Thriller „Das Fenster zum Hof“ stellten die Kraniche sich und den Autoren vor zwei Jahren die Aufgabe, eine Geschichte zu schreiben die den Ein- oder Ausblick durch ein Fenster beinhalten sollte.

Herausgekommen ist ein Buch voller bunter Geschichten. Im „Schattenfenster“ verortete Sandra Ulbrich das Böse. Jörg Neuburg dachte sich ein Fenster als Passage in eine andere Welt aus. Carina Küffner stellte sich in „Herzenskind – Spiegel meiner Seele“ beim Blick auf einen leeren Stuhl auf den verwaisten Balkon gegenüber die Frage: „Was bleibt von mir?“ Alina Renz führte in „Der graue Hof“ in die Gedankenwelt eines Mörders ein.

Im Interview schilderte Mara Bart, mit 18 Jahren jüngste Autorin, wie sie dem Ratschlag der Kraniche folgte, „einfach draufloszuschreiben“. Die erfahrene Autorin Marianne Brucker-Meisel folgte dem Fluss der Worte ungeachtet der Orthografie – offen für spätere Bearbeitung. Der mit 82 Jahren älteste Autor, Ulrich Harbecke, freute sich nach der„Hervorbringung einer Geschichte aus einem selbst“ schon auf Leserreaktionen. Einzig die Geschichte „Sieh an“ des Liblarers Dr. Dieter Esser vom Blick aus dem Fenster des Zimmers 104 im Marienhospital las Philipp Wasmund zur Gänze vor, als Andenken an den unwiederbringlichen Autor von Geschichten und Geschichte in Erftstadt. Er war im Laufe des Lektorates zum Buch gestorben.


Erftstädter Buchautoren veröffentlichen

Hinter den Gardinen

Erftstadt Magazin – November 2025

Der berühmte Hitchcock-Film „Das Fenster zum Hof“ steht für das neue Projekt der Erftstädter Autorengruppe „Kraniche“ Pate. In 17 Kurzgeschichten wagen sie in spannenden, witzigen oder ernsten Geschichten einen Blick in das Leben ihrer Figuren. Im Buch enthalten ist auch die letzte Veröffentlichung des bekannten Liblarer Autors Dieter Esser.

Die Freude, ihr Buch in den Händen zu halten, ist bei den Autoren groß. Die Organisatoren, Fabienne Siegmund und Jörg Neuburg, haben für alle eine „Büchertüte“ gepackt. Nun stehen sie vor den begeisterten Schriftstellern. „Ich bin sehr nervös, das ist schließlich meine erste Veröffentlichung“, sagt die 18jährige Mara Bart. Aber auch Marianne Brucker-Meisel, die zu erfahreneren Autorinnen gehört, strahlt. „Es ist ein ganz tolles Gefühl darin zu blättern.“ Vor einem Jahr haben Siegmund und Neuburg mit ihrer Schreibgruppe „Die Kraniche“ die Idee gehabt, einen Kurzgeschichtenband mit Erftstädter Autoren zu veröffentlichen. Einzige Voraussetzung für die Teilnahme war das gemeinsame Thema: „Die Fenster zu den Höfen“. Der ähnlich klingende Kriminalfilm von 1954 gab das Motto vor, doch mehr auch nicht. Herausgekommen sind sehr unterschiedliche Kurzgeschichten, in der das Thema Voyeurismus mal mehr, mal weniger präsent ist. Carina Küffner hat sich der Generationenfrage gewidmet. Eine junge Frau und eine alte Dame beobachten sich, spiegeln ihr Leben durch das Fenster. Beide möchten die andere Person kennenlernen, doch sie wagen den Kontakt nicht. „Ich habe immer wieder angefangen und abgebrochen, bis ich einen Kurzurlaub bei einer Freundin gemacht habe.“ Die Gespräche würden sich darin widerspiegeln. „Es bedeutet mir viel, dass ich das Erlebte so festhalten kann.“ Sandra Ulbrich hat sich dagegen stärker für den Gruselfaktor entschieden. Ihre Geschichte beginnt eindringlich: „Auf der anderen Straßenseite, im Fenster gegenüber, wohnt das Böse, sagt Mama.“ Die junge Autorin Alina Renz widmet sich der Beobachtung eines Ehestreits. Immer wieder spielen die Erftstädter Autoren mit der Perspektive. Wer spricht da so despektierlich über die junge schwangere Nachbarin in der Geschichte von Angelika Kroll? „Ich habe einen Haufen Katzen und ich habe das Gefühl, die kommentieren alles was ich tue“, erzählt sie lächelnd. Jutta Zilles ist vor 30 Jahren nach Erftstadt gezogen und erinnert sich eindrücklich an die Szenen, die ihren Text bestimmen. „Es geht um das Kommentieren des Alltags, von Frauen die damals immer aus dem Fenster guckten.“ Doris Brenner hat ebenso eine wahre Geschichte verarbeitet. „Ein Nachbar hat mir all seine Verschwörungstheorien erzählt, das war so schräg, das habe ich damit verarbeitet.“

Lesung geplant

Die Schreibgruppe „Kraniche“ hat sich vor rund fünfzehn Jahren gegründet. Alles begann mit einem Kurs der Volkshochschule bei Monika Nießen-Horré. Heute ist sie nicht mehr Teil des Teams, aber sie hat sich nicht nehmen lassen, auch eine Geschichte beizusteuern. Für die „Kraniche“ ist es bereits das fünfte Buch, das sie gemeinsam herausbringen. Bei ihren Treffen lesen sie sich gegenseitig ihre Geschichten vor, kritisieren sich und planen Veranstaltungen. „Es macht viel Spaß über das Geschriebene zu reden mit Leuten, die deine Sachen kennen“, sagt Jörg Neuburg. Wie bei Autor Florian Winters, der sich mit virtueller Realität beschäftigt, geht es bei ihm ins Fantastische. „Es ist von Manga-Comics inspiriert“, erklärt Neuburg. „Meine Figur betritt durch das Fenster eine andere Welt.“ Ihm ging das Thema leicht von der Hand und er konnte den Redaktionsschluss frühzeitig einhalten. Danach kam nämlich noch richtig viel Arbeit auf das Team zu. Sechs Personen sahen die Texte durch, die Neuburg dann für den Druck setzte. Im Gespräch mit den Autoren wurden noch kleine logische Fehler aufgedeckt und ausgebügelt. Besonders ist die Tatsache, dass Dieter Esser noch einmal eine Veröffentlichung einer seiner Geschichten erfährt. Der gebürtige Liblarer Lehrer hat mehrere Romane geschrieben. Er starb im März. „Als wir ihn fragten, hat er sofort zugesagt“, erinnert sich Fabienne Siegmund. Sein Text handelt von den unterschiedlichen Blickwinkeln auf die Welt und beschließt damit den Band. Vorgestellt wird das Projekt mit einer Lesung und Talkrunden im Pfarrzentrum St. Kilian am 28. November um 20 Uhr. Karten gibt es in den Buchhandlungen Köhl.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner