Spannende Inszenierung von „Der Tod auf dem Nil“ bei Szene ’93
Nur die Ermordeten sind unverdächtig
VON BERND WOIDTKE – Kölner Stadt-Anzeiger vom 14. Mai 2024
Erftstadt – Das Verstörende an Agatha-Christie-Stoffen ist: Sie sind fernab jeglicher Realität und gleichzeitig irrsinnig erfolgreich. Ein Widerspruch? Natürlich nicht! Die Figuren sind herrliche Projektionsflächen: Hercule Poirot, der kleine, dicke, verschmitzte Detektiv, das übrige Personal meist aus bestem Hause, aber mit dunklen Geheimnissen, nichts bleibt, wie es ist, die Opfer werden zu Tätern und umgekehrt, Verwirrung bis zum Schluss.
Dazu kommen klaustrophobische Orte, in diesem Fall ein Dampfschiff auf dem Nil, Orte, denen man nicht entkommen kann, weder Täter noch Opfer. Ohne zu viel zu verraten: Agatha Christie interessiert sich nicht für althergebrachte Rollenzuweisungen – mörderische Männer und sensible gewaltfreie Frauen? Das war einmal!
Zunächst greift Agatha Christie zu einem überraschenden Move: Im Gegensatz zu ihrem Roman „Der Tod auf dem Nil“ schreibt sie Hercule Poirot aus der Theaterfassung heraus. Ein genialer Kunstgriff, denn: Das erhöht die Spannung enorm! Kein Kommissar mehr auf dem Set, das bedeutet: Jetzt sind wirklich alle verdächtig. Naja, außer den Ermordeten natürlich. Und dem Stewart (Hans-Paul Marten) – der muss die Drinks servieren.
Zum Beispiel an den Pfarrer, von Jürgen Henne als zwielichtigen Investor im Nebenberuf gespielt: „Wein tut meinem Bauch gut!“ Und da ist das turtelnde Liebespaar Kay und Simon Mostyn, brillant gegeben von Lydia Rondorf und Ulrich Gillessen. Rebecca Bach ist die dramatische Killer-Queen Jaqueline de Severac – oder ist sie doch das arme Opfer? Miss Ffoliot-Ffoulkes: die arrogante Upper-Class-Lady (Stephanie March), die nebenbei ihre Cousine Christina (Anette Dewitz) gnadenlos ausbeutet, Louise (Sandra Sidar), die hinterlistige Zofe von Kay Mostyn, Dr. Bessner (Jürgen Schulze), der engagierte Arzt, der auf alle Tricks hereinfällt, Mr. Smith (Stephan Nichtweiß), der Kommunist mit der Grandezza eines Adeligen: Was für dankbare Rollen für talentierte Schauspielerinnen und Schauspieler, wie man sie bei Szene 93 versammelt hat!
Das Ende kann und darf hier natürlich nicht erzählt werden, aber soviel muss gesagt werden: In der Inszenierung von Volker Schumann bleibt die Spannung bis zur letzten Sekunde auf ganz hohem Level!
Die nächsten Vorstellungen von der „Tod auf dem Nil“ : 25.5., 26.5., 1.6., 7.6., 8.6., 9.6., 14.6., 15.6.2024, freitags und samstags 20 Uhr, sonntags 18 Uhr. Kartenreservierung: www.szene93.de, 02235/9228234
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Die Schauspieler und Schauspielerinnen von Szene ’93 überzugen in dem Stück „Der Tod auf dem Nil“. Foto: Bernd Woidtke