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Presse: Misery

In einem Strudel der Angst

Von Christina Hustedt – Kölner Stadt-Anzeiger

Erftstadt-Liblar –

Der Theaterraum ist dunkel, es ist die Stimme eines Mannes zu hören, offenbar ein Schriftsteller bei einer Lesung, Applaus, eine zuklappende Autotür, Reifenquietschen, der Lärm eines Unfalls. Mit dem Aufleuchten einer Stehlampe erkennen die Zuschauer in der Kleinen Bühne der Szene 93, was mit dem Unfallfahrer geschehen ist.

Er liegt verletzt in einem Bett, stöhnt vor Schmerzen, kommt langsam zu sich. An sein Bett eilt eine Frau, stellt sich als Annie vor. Aufgeregt plappert sie davon, dass er im Schneesturm von der Straße abgekommen sei, sie ihn gerettet und die gebrochenen Beine geschient habe, er dankbar sein müsse und sie ihn gesund pflegen würde, da durch den hohen Schnee kein Durchkommen zu einer Klinik sei. „Und außerdem bin ich Ihr größter Fan!“, strahlt Annie ihn an. Erst nach und nach wird Paul Sheldon, dem erfolgreichen Autoren der Misery-Buchreihe, klar, in welcher Situation er sich befindet. Er ist in ihrem Haus Gott weiß wo, durch Verletzungen ans Bett gefesselt, einer Frau ausgeliefert, die sich immer mehr als verrückt entpuppt.

In der 45. Theaterpremiere der Szene 93 in Liblar sind es an diesem Samstagabend Volker Schumann und Kerstin Rasmussen als Paul und Annie, die immer tiefer in den Strudel von Gewalt, Demütigung und Angst geraten, angefeuert von Annies übersteigerter Liebe und tödlichem Besitzdenken und Pauls Hilflosigkeit und dem gleichzeitigen Versuch, sich aus seiner Lage zu befreien. Hautnah erleben die 50 Zuschauer in der ausverkauften kleinen Bühne mit, wie eine manische Annie ihren Lieblingsautor im einen Moment anhimmelt, ihn mit Schmerztabletten und Suppe füttert, ihn im nächsten anschreit, bedroht, quält und demütigt. Der irre Fan zwingt seinen Gefangenen, das einzige Manuskript seines jüngsten Buches zu verbrennen, weil es Annie nicht zusagt, lässt den hilflosen Mann tagelang alleine und trägt Paul Sheldon schließlich auf, eine Fortsetzung seiner Misery-Reihe zu schreiben, da er die Protagonistin im letzten Roman sterben ließ. Das Publikum wird Zeuge immer brutalerer Gewalt, aus der nur noch der Tod als Ausweg scheint.

Volker Schumann und Kerstin Rasmussen überzeugen in der „Misery“-Inszenierung von Daniel Forschbach. Eindrucksvoll skizzieren beide Darsteller ihre Charaktere, gehen auf in ihren Rollen als gequältes Opfer und überdrehte Peinigerin. In Anwesenheit des Publikums als Zeugen liefern sich Annie und Paul einen bedrückenden Kampf um Leben und Tod, zunächst nur verbal, am Ende wahrhaftig. Dabei gelingt es beiden Laiendarstellern, sowohl die beklemmende Angst Pauls als auch die krankhaft übersteigerte Fanliebe Annies glaubhaft zum machen. Und auch Daniel Forschbach überzeugte in seiner siebten Regiearbeit für die Szene 93 durch eine präzise Abstimmung der Dialoge und Gestik in der düsteren Atmosphäre des Krankenzimmers, das zur Zelle wird. Seit Dezember 2013 hatte die Truppe zweimal in der Woche geprobt, kurz vor der Premiere von Misery am Samstag natürlich noch einmal intensiver. Das Stück basiert auf dem Roman „Sie“ von Stephen King, das ebenfalls unter dem Titel „Misery“ mit Cathy Bates und James Caan verfilmt wurde. In der kleinen Bühne der Szene 93 in der Liblarer Poststraße ist das Stück noch am 5. April um 20 Uhr sowie am 6. April um 18 Uhr zu sehen. Zudem ist der Thriller im Rahmen des Rhein-Erft-Theaterfestivals am 26. März um 20 Uhr in der Galerie am Schloss Brühl zu sehen.

 

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