Songs aus dem Krankenbett
VON OLIVER TRIPP – Kölner Stadt-Anzeiger vom 24. Juli 2023
Erftstadt-Köttingen – 2022 schon war die kanadische Sängerin Sherri Ann mit ihrer Rockband Sister Speak im Studio der Szene 93 vor etwa 50 Gästen aufgetreten. Diesmal war sie zum Konzert alleine gekommen und hatte auf die improvisierte Bühne im Garten hinter dem Köttinger Jugendzentrum ihre Westerngitarre mitgebracht.
Gleich nach dem ersten Lied ihres gleichnamigen neuen Albums „Love for all“, machte sie ihrem Publikum klar, dass sie manchmal einen Drummer brauche, ob es ihr mit einem geklatschten Back-Beat aushelfen könne. Auf ihre zukünftige Frage „Is there a drummer in the house?“, reagierten rund 90 Gäste im Verlauf des Konzertes mit dem handgemachten Beat und glänzten auch als Chor.
Es waren ihre eigenen Songs, die Sherri Ann vortrug, Lieder, die von Frieden, Liebe und bisweilen enttäuschter Freundschaft erzählten. Lieder, die sie im letzten Jahr komponiert habe, in Folge eines Autounfalls mit mehreren Knochenbrüchen gefesselt ans Bett. „Ich brauchte etwas, um es in den Armen zu halten“, erzählt sie, ihre Gitarre. Erst im Hause ihrer Eltern, im kanadischen Landstrich Okanagan in British Columbia, nicht weit von Vancouver, sei sie genesen.
Geholfen habe der Blick aus dem Fenster auf die Berge, ihr erster Spaziergang habe sie zu einem der nahen Seen geführt. Und später zu den berühmten Wasserfällen, denen sie das Lied „Rainbow falls“ gewidmet habe.
Ganz alleine bestritt die Sängerin das Konzert nicht. Sie rief die jungen Sängerinnen Emilia Hoffmann und Carolina Zilles zum Lied „Dance to the rhythm“ auf die Bühne, die erst am Mittwoch mit der Sängerin einen Gesangsworkshop absolviert hatten. Der erste Vorsitzende der Szene 93, Philipp Wasmund, spielte im zweiten Teil des Konzertes Keyboards. Und dort spiele er „viele schwarze Tasten“, was Leute am Klavier eigentlich gar nicht schätzten, ließ die Sängerin durchblicken. In lyrischen Passagen klang das aber ganz passend und im Blues, dem die beiden die letzten Stücke widmeten, jammten Sherri Ann und Wasmund, als wäre es nicht das erste Mal gewesen.
Eine Bühne für junge Musiker habe die Szene 93 mit regelmäßigen Konzerten im Studio schaffen wollen, erläuterte Philipp Wasmund. Nur, so viele junge Künstler aus dem nahen Umfeld ließen sich zur Zeit nicht finden, bezeichnenderweise fänden hingegen internationale Musikerinnen und Musiker den Weg ins Köttinger Jugendzentrum.
Das nächste Konzert am Freitag, 15. September, sei beispielsweise mit Madison Malone geplant, einer Sängerin aus Wisconsin, deren Musik von Herzschmerz, politischen Themen und der Gerechtigkeit der Geschlechter handele.