Premiere bei Szene 93 Die Fragilität der Vernunft
Erftstadt Anzeiger vom 21.11.2018 – Von Claudia Scheel
Erftstadt-Liblar –(cs) Das 1953 uraufgeführte Drama „Hexenjagd“ basiert auf historischen Ereignissen aus der frühen amerikanischen Geschichte: Die neuenglische Kleinstadt Salem wurde Ende des 17. Jahrhunderts Schauplatz einer Jagd auf vermeintliche Hexen. Mit Arthur Millers zeitlosem Lehrstück über die Aushebelung demokratischer Grundsätze durch Intoleranz, Ignoranz und Fanatismus feierte Szene 93 die letzte Premiere im Jubiläumsjahr. Unter der Regie von Simon Hellmich und Daniel Forschbach lief das 14-köpfige Ensemble zu Höchstleistungen auf.
Was kann es bedeuten, wenn junge Mädchen heimlich im nächtlichen Wald ekstatische Tänze vollführen? Und was, wenn sie – vom Gemeindepastor ertappt – in rätselhafte Zustände verfallen? Im puritanisch-sittenstrengen Salem gibt es dafür nur eine Erklärung: Der Teufel hat seine Hand im Spiel. So ruft man den bekannten Exorzisten Pastor Hale zu Hilfe. Teils aus Angst vor Bestrafung, teils berauscht von der neu erlangten Macht geben die Mädchen um Wortführerin Abigail in Hales Verhören zu, verführt und verhext worden zu sein. So werden aus den Beschuldigten schnell Anklägerinnen, die, um sich selbst zu retten, immer mehr Salemer Bewohner der Teufelsbuhlerei bezichtigen. Eine fatale Hexenjagd setzt ein, an der sich so mancher, der eine unliebsame Person aus dem Weg räumen will, bereitwillig beteiligt. Bald stellt sich die bange Frage: Ist die tödliche Spirale aus Paranoia, Lügen und Verfolgung überhaupt noch aufzuhalten?
Mit der Inszenierung von „Hexenjagd“ haben die Regisseure Simon Hellmich und Daniel Forschbach ein Stück auf die Bühne gebracht, das zu Recht zu den erfolgreichsten und meist aufgeführten Dramen Arthur Millers gehört. Angesichts der Kommunistenjagd der McCarthy-Ära im Amerika der frühen 1950er Jahre entstanden, ist das Drama aktuell wie nie zuvor – zeigt es doch auf meisterhafte Weise, wie Angst und Druck Lügen provozieren, die, zwar bar jeder Grundlage, durch eigennützige Manipulation zu einer gefährlichen Massenhysterie anwachsen können. Die Aktualität des Sujets war es auch, die die Regisseure an dem Schauspiel faszinierte: „Das Stück ist zeitlos, seine Themen sagen viel über heute aus. Für mich, der sich intensiv mit Fragen von Rassismus und Toleranz beschäftigt, ist das augenscheinlich gewesen“, betonte Simon Hellmich.
Um der Inszenierung des modernen Klassikers eine eigene, zeitgemäße Handschrift zu verleihen, griffen Hellmich und Forschbach zu raffinierten inszenatorischen Kniffen: So wurde die Vorgeschichte, der rituelle Tanz, im Wald aufgenommen und als Video zu Beginn des Stückes eingespielt. Die Figur der Tituba, bei Miller eine Sklavin aus Barbados und unter den ersten Opfern der Hexenjagd, wich dem Charakter des Mustafa. Der Zeitbezug spiegelte sich nicht zuletzt in den Kostümen: Die strikte Einteilung der Charaktere in zwei Gruppen – in Weiß- und Schwarzgekleidete – spielt unverkennbar auf rechtspopulistische Vorgehensweisen an. Dass aber das Kleid auch die Farbe ändern kann, zeige, erläuterte Daniel Forschbach, den Druck, unter dem die Protagonisten stünden: „Sie entscheiden sich nicht freiwillig für den ‚falschen‘ Weg. Auch da sollte man nicht vorschnell urteilen.“
Die Aufführungen des sehenswerten Dramas „Hexenjagd“ sind in diesem Jahr (24. und 25. November sowie 1. und 2. Dezember) bereits ausverkauft. Eventuell sind Restkarten an der Abendkasse erhältlich. Weitere Vorstellungen finden am Samstag, 12. und 19. Januar, 20 Uhr, sowie am Sonntag, 13. und 20. Januar, 18 Uhr, in der Kleinen Bühne, Poststraße 4 statt.